Das Ahnenfest ist unsere Interpretation der Feierlichkeiten um Allerheiligen/Allerseelen, Halloween und Samhain. Das mit Sicherheit das dunkelste Fest im Jahreskreis ist zugleich mein Liebstes. Zwei Aspekte stechen bei der Beschäftigung mit dem Festkomplex hervor. Zum einen spielen Tod und Abschied eine wesentliche Rolle und geht es darum, die Dunkelheit und Kargkeit des Winters willkommenzuheißen. In einer Gesellschaft, die den Tod verdrängt, Jugendlichkeit und gleichbleibende Leistungsfähigkeit idealisiert, muten diese Festaspekte befremdlich an. Doch wenn wir nicht Abschied nehmen, Altes sterben lassen und angemessen trauern, dann kann nichts Neues entstehen. Wir leben in einer Zeit des Wandels. Nicht immer fällt es leicht, mit den Veränderungen Schritt zu halten. Sich bewusst Zeit zu nehmen, Verluste, Schmerz und Scheitern zu betrauern, kann dabei helfen, sich für Neues zu öffnen. Das Ahnenfest kann einen Raum dafür bieten.
Der zweite Aspekt des Ahnenfests ist gleichfalls unmodern anmutend. Es geht um die Würdigung der Vorfahren. Im Bewußtsein der heutigen Zeit gibt es wenig Platz für das Wissen und die Unterstützung des Lebens durch die Vorfahren. Damit schneiden wir uns jedoch von einem wichtigen Stück unserer Geschichte, unseres Ursprungs ab. Dabei hat jede*r einzelne meiner Vorfahrinnen und Vorfahren dazu beigetragen, dass ich jetzt hier sein kann. Wenn ich nur sieben Generationen zurückrechne, haben bereits 254 Menschen an meiner Entstehung mitgwirkt, eine für mich fast unvorstellbare Anzahl. Nicht erst die systemische Therapie hat erkannt, dass es wohltuend und heilsam sein kann, ein integrierendes Bewusstsein für die eigene Ahnenlinie zu entwickeln. In der Tradition vieler indigener Kulturen hat die Ahnenverehrung einen festen Platz.
In unseren Ahnenfesten greifen wir beide Aspekte auf. Beim diesjährigen Präsenzfest in München stand der Abschied von „Verlorenem“ im Vordergrund. Dabei wurde der Verlust von geliebten Menschen durch Tod oder Aufkündigung der Freundschaft genauso betrauert, wie der Verlust von Orten und tierischen Freunden. Die anwesenden Kindern verabschiedeten sich von Dingen, die sie verloren hatten oder von Lebensphasen, wie der Kindergartenzeit. Im Schein unserer geschmückten Lichter erstrahlten schließlich die positiven Erinnerungen, die wir mit dem Verlorenen verknüpfen und rückten neben dem Verlustschmerz in den Vordergrund.